Timmy - Geschichten für fast erwachsene Kinder

Die Geschichten um Timmy sind auf unzähligen Autoheimfahrten entstanden.

Es galt meinem Sohn, auf 12 km Stadtfahrt, eine kompakte Geschichte zu erzählen, die an einer seiner jeweiligen aktuellen Themen angelehnt waren.

Im Zuge der Zeit, sprich mit zunehmenden Alter meines Sohnes, veränderten sich die Inhalte erheblich. Wenn es sich anfänglich um Themen wie "Freundschaften im Kindergarten" drehte, so wurden daraus Inhalte wie " Erste Liebe" oder "Schulunlust".

Der Fundus ist schier unerschöpflich und ich schrieb sie in losen Abständen nieder.


Timmy hat Schulkrank

 

 

Es war einmal ein Junge, der hieß Timmy. Er ging überhaupt nicht gerne zur Schule, auch wenn er kein schlechter Schüler war. Es langweilte ihn ganz einfach jeden Tag aufzustehen, in der Schule zu sitzen und wie er immer wieder betonte, so seine Zeit zu vertun.

 

Einen Abend kam er zu seinem Vater und erklärte: „ Papa, ich fühle mich krank. Ich kann bestimmt Morgen nicht zur Schule gehen.“

 

Auf die Frage, was er denn für Beschwerden habe, antwortete Timmy, er habe Halsschmerzen, Bauchweh und Übelkeit. Der Vater sah seinen Sohn prüfend an und fasste ihn an die Stirn. „Na, Fieber scheinst du nicht zu haben, das ist schon mal gut.“

 

Timmy machte ein ganzen niedergeschlagenen Eindruck. Wäre er ein Hund gewesen, hätten ihm bestimmt die Ohren bis zu den Kniekehlen herabgehangen. „ Meinst du ich bin krank genug, um nicht in die Schule zu müssen?“, fragte Timmy mit sehr leidender Mine.

 

Wollen mal sehen?, sagte der Vater und bat Timmy sich zu ihm zu ihm auf das Sofa zu setzen. Der Vater schob das Schälchen mit den Keksen auf dem Couchtisch näher an Timmy heran und begann zu erzählen:

 

Ich hatte mal einen Mitschüler namens Kalle, der war vielleicht gerade mal ein bisschen älter als du.“

Timmy mochte es wenn sein Vater aus seiner eigenen Kindheit erzählte und so hörte er ganz aufmerksam zu.

 

Irgendwann hatte Kalle überhaupt keine Lust mehr zur Schule. Er wusste zwar, dass er mindestens 9 Jahr zur Schule gehen musste, weil das Gesetz nun mal so war, aber trotzdem hielt er es einfach für überflüssig seine Zeit auf diese Art zu verplempern. Lieber schwänzte er den Unterricht so oft er konnte und handelte sich dafür auch allerhand Ärger ein. Seine Eltern waren verzweifelt und kamen auf die Idee, ihren Kalle zur Probe von der Schule zu nehmen. Er durfte sich aussuchen , was er mal lernen wollte und er entschied sich für den Beruf des Tischlers. Die Eltern vereinbarten mit einem Tischlerbetrieb in der Nähe für Kalle zwei Schnupperwochen als Praktikum. Der Tischlermeister, der den Betrieb leitete, sollte Kalle genauso behandeln wie einen echten Lehrling, das war den Eltern wichtig.

 

Als Kalle an dem nächsten Montag sein Praktikum begann war er vorher aufgeregt und freute sich darauf. Aber nur bis sein Wecker das erste Mal klingelte. Es war mitten in der Nacht, jedenfalls für Kalle. 5.30 Uhr aufstehen, 6.30 Uhr in der Tischlerei sein, Material und Werkzeug in den Wagen packen und um 7.00 Uhr auf der Baustelle sein, und das jeden Tag. Es war Ende Oktober und draußen war es noch stockfinster. Kalle war den ganzen Tag über müde. Die Arbeiten, die ihm aufgetragen wurden, erledigte er unkonzentriert und nachlässig. Mal hatte er vergessen bestimmte Holzleisten in den Werkstattwagen zu laden, dann benutzte er die falsche Farbe für eine Küchenplatte oder er musste am Abend die Werkstatt zweimal fegen, weil der Meister noch Holzspäne unter der Hobelbank fand. So ging das die ganze Zeit. Immer wieder ermahnte der Meister Kalle, aufmerksamer zu sein und seine Arbeit besser zu machen. Kalle fiel das Alles sehr schwer. Es war ja auch nicht einfach, von Montag bis Freitag jeden Tag so früh aufzustehen und erst um 16.30 Uhr wieder Feierabend zu haben. Da blieb nicht viel Zeit für andere Dinge.

 

In der zweiten Woche sollte die Tischlerfirma von Kalle in der Turnhalle unserer eigenen Schule eine Kletterwand reparieren. Wieder waren sie um sieben Uhr pünktlich vor Ort, die Schule aber war noch völlig leer. Nur der Hausmeister mit seinem ewig klimpernden Schlüsselbund war zur Stelle um ihnen die Türen aufzuschließen. Kalle fühlte sich wie immer sehr müde. Er hielt dem Gesellen das Werkzeug an oder sollte hier und dort eine Schraube lösen. Dafür reichte es gerade so. Irgendwann schickte der Meister Kalle zum Wagen, damit er eine Kartusche Dichtmasse hole. Als Kalle gerade durch die Eingangshalle schlurfte, war für uns Schüler Schulanfang. Ich rannte Kalle fast in die Arme. 'Hey, was machst du denn hier?', fragte ich ihn, aber die Frage hätte ich mir auch schenken können. Er trug seine blaue Tischlersachen und einen gelben Zollstock an der Hose.

' Wir reparieren hier die Kletterwand', sagte Kalle mürrisch.

Ich konnte es mir nicht verkneifen: ' Du siehst ganz schön fertig aus, Alter.'

Kalle nickte: ' Ich sag dir Mann, arbeiten ist die Hölle. No Fun, keine Freizeit und immer nur Zeitdruck. Wenn ich mir vorstelle. So eine Lehre dauert drei Jahre...'

' Drei Jahre?', lachte ich, ' vergiss nicht, dann kommen noch 40 Jahre Berufstätigkeit hinterher!'

Kalle machte ein Gesicht als hätte ich ihm einen Schlag in die Magengrube verpasst. Er ging wortlos davon.“

 

Timmys Vater hatte sein Kinn auf seine Fäuste gestützt und machte beim Erzählen eine Pause.

Ja, und dann?“, fragte Timmy neugierig auf den Fortgang der Geschichte. „ Wie ging es weiter?“

 

Der Vater zuckte nur mit den Schultern. „ Da war nicht viel, zwei Tage später war Kalle wieder in der Schule. Als Schüler! Er war wie ausgewechselt. Lachte plötzlich ständig und war immer froh gemuht dabei, schwänzte nicht mehr und wir haben gemeinsam irgendwann unseren Schulabschluss gemacht.“

 

 

Timmy sah nachdenklich seinen Vater an. Nach einer Weile legte Timmy seinem Vater die Hand auf die Schulter und sagte: „ Du, Papa, ich denke ich werde Morgen trotz meiner Beschwerden zur Schule gehen können. Ich schaffe das schon. Bestimmt!“


Verliebt

Es war einmal ein Junge, der hieß Timmy. Und wie alle Jungen auf dieser Welt, hatte Timmy immer viele Fragen im Kopf. "Papa, warum finden Mädchen eigentlich immer die Angeber so gut?“ Timmy hatte lange darüber nachgedacht seinen Vater danach zu fragen und schließlich erkannt, es war die einzige Möglichkeit der Sache schnell auf die Spur zu kommen.

 

Sein Vater drehte sich in seinem Schreibtischsessel herum und sah ihn ernst an.

 

Timmy war die Frage etwas peinlich, auch wenn er wusste, dass er seinen Vater alles Erdenkliche fragen konnte und immer eine Antwort bekam. Aber gerade beim Thema Mädchen hörte die Vertrautheit irgendwann auf.

'Schließlich war Papa mal mit Mama zusammen gewesen und das war schiefgegangen. Daher konnte er ja nicht so viel Ahnung vom Thema haben', hatte Timmy sich gedacht. 'Andererseits ist er der Mann, der mir überhaupt bei so einem Thema auf die Sprünge helfen kann, es sei denn ich glaube die Spukgeschichten die in der Schule über Mädchen kursieren', war sein eigenes Gegenargument gewesen.

 

Also stand Timmy jetzt in Papas Arbeitszimmer und die Frage war gestellt.

Das ist wirklich eine verdammt gute Frage“, sagte sein Vater.

Timmy wusste in welcher Form die Antwort ausfallen würde und setzte sich im Schneidersitz auf seinen Hosenboden, dort wo er gerade noch gestanden hatte.

Der Vater lehnte sich in seinem Schwingsessel weit zurück in die Rückenlehne und faltete seine Hände über dem Bauch. Seinen Blick lenkte er aus dem Fenster, irgendwo in den Himmel und dabei begann er zu erzählen:

 

Als ich ein Junge in deinem Alter war, da war ich das erste Mal so richtig verliebt. Ich meine nicht so eine Schwärmerei für ein paar Tage, nein, es dauerte fast ein ganzes Schuljahr. Immer wenn ich sie sah pochte mein Herz so laut , als sei es in einer Holzkiste gefangen. Sie, das war Regina von Lente, das für mich hübscheste Mädchen der Welt mit der schönsten Handschrift, die ich je gesehen hatte. Wir gingen in die selbe Klasse. Sie saß ganz vorne in der Nähe des Lehrertisches und ich, wie es sich gehörte hinten in der letzten Reihe. Uns beide trennten Welten. Nicht nur in räumlicher Entfernung, nein auch in allen anderen Dingen. Sie war sehr gut in allen Fächern, ich gerade mal mittelmäßig. Einzig beim Sportunterricht war ich besser. Und sie hatte immer ausgesucht hübsche Sachen an, meist Kleider, während ich sowieso nur zwei Hosen und ein Stapel T-Shirts besaß. Und Sachen, die ich von meinen älteren Brüdern auftrug. Für sie musste ich ein Niemand sein, das wusste ich sicher. Während sie in den Pausen brav mit ihren Freundinnen Gummitwist spielte, spielte ich Fußball, wenn ich mich nicht gerade raufte. Sie würdigte mich nie eines Blickes. Weder im Unterricht, noch ausserhalb. Ich war Luft für sie. Im Gegensatz zu ihr, hatte ich immer ein Auge auf ihr. Das war aber absolut geheim und ich ließ mir auch nichts anmerken.“

Und auch deine Kumpels wussten nichts davon?“, fragte Timmy ungläubig nach.

Nichts und niemand, Top Sekret!“, der Vater tat so als schließe er seinen Mund wie einen Reissverschluss und legte den Zeigefinger darauf. „ Das war alleine meine Herzensangelegenheit und ich war überzeugt nie bei ihr landen zu können.

 

Eines Tages mitten im Schuljahr klopfte es an die Tür des Klassenraumes. Als sich die Tür öffnete trat Vincent in unser Leben. Er war mit seinen Eltern aus Spanien zurück nach Deutschland gezogen und ging ab diesem Tag auf unsere Schule und ab sofort, in unsere Klasse.

Vincent war ein Jahr älter als unser Jahrgang, war groß mit schwarzen längeren Haaren, und mit einer Tolle, die quer über seine Stirn hing und die er sich beim Sprechen hinter das eine Ohr strich, wenn er sie nicht gerade mit einem kurzen heftigen Kopfrucken lässig dahin beförderte. Vincent war megacool! Schwarze Lederjacke, brauner Teint, enge Jeans, spitze braune Lederschuhe, ein silberner Ring mit schwarzem Stein am Finger und, was das ganze noch wirklich unverschämt machte, mit einem hauchfeinen spanischen Akzent in seiner wohltemperierten Stimme.“

 

Timmy sah seinem Vater an, was Vincent für einen Eindruck gemacht haben musste.

 

Und jetzt stell dir das Schlimmste vor, was in diesem Moment hätte passieren können!“, forderte der Vater ihn auf.

Keine Ahnung, „ Timmy überlegte und musste tippen „ er setzte sich neben Regina?“

Exakt!“, rief der Vater aus, „ genau, der Klassenlehrer setzte ihn genau neben sie, weil ihre Banknachbarin schon länger krank und somit der Platz unbesetzt war. Und denk dir was dann ablief. Vincent spielte sowas von gekonnt auf seiner Gockel-Klaviatur und Regina? -Die machte einen auf kichernde Anhimmelmaus.

Ich kochte innerlich und ließ die beiden nicht mehr aus den Augen. Ich war so was von der Rolle, dass ich noch nicht mal mitbekam, dass meine Stuhllehne zu weit von der Wand weg war um lässig dagegen zu kippeln. Als ich es dennoch tat, verlor ich das Gleichgewicht und fiel laut krachend mit meinem Stuhl um. Das absolute NO GO eines letzte Bank Schülers. Eine Niederlage, schlimmer als Deutschland-Brasilien. Alle Augen waren auf mich gerichtet und ich krabbelte mit roten Ohren und unter dem Gelächter aller Schüler, und vor allem dem gemeinschaftlichen von Regina und Vincent unter dem Tisch hervor.“

Oh, jee, Papa, das ist zum fremdschämen“, rief Timmy aus.

Mir ging es den ganzen übrigen Tag nur noch dreckig. Am Nachmittag verkroch ich mich in mein Zimmer und wollte nur alleine sein. Jeder Gedanke an Regina und Vincent war ein Angriff auf meine Magenschleimhaut. Mir war nur elend und ich wollte mich nie wieder in der Schule blicken lassen.“

Und dann?“ Timmy wurde unruhig.

Dann rief irgendwann meine Mutter nach mir. Da sei Telefon für mich. -Du weißt früher waren die Telefone noch an geringelten Kabeln im Wohnzimmer festgebunden- Als ich an den Apparat kam hörte ich eine zarte, leise Stimme, unsicher 'Hallo Thomas sagen'. Es war Regina! Sogleich klopfte es heftig in meinem Holzkasten in der Brust.

'Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Das war unfair über dich so zu lachen'

Sie machte eine Pause und ich hörte wie sie atmete und Anlauf für einen weiteren Satz nahm.

' Als du mit dem Stuhl umgefallen warst, da hast du mir eigentlich sehr leid getan und zum ersten Mal sah ich deine Verletzlichkeit, deine Empfindsamkeit. Ich wollte gar nicht lachen, aber da war Vincent und irgendwie habe ich das dann doch getan. Das war falsch.'

Ich wusste ich müsste was sagen, wusste aber nicht so recht was. Also sagte ich nur: 'Ja, Vincent, echt ein toller Typ, denke der gefällt.....'

'Du gefällst mir besser', fiel sie mir ins Wort.

Das war too much. Meine Ohren brannten und waren bestimmt rot wie Streichholzköpfe. Ich brauchte eine kurze Pause.

Ich sagte: 'Warte mal eben' und hielt mit der Hand einfach die Sprechmuschel zu. Ich atmete durch und war eigentlich zu keinem vernünftigen Gedanken fähig. Als ich wieder sprechen konnte tat ich so, als hätte meine Mutter gerade etwas von mir gewollt. 'Entschuldige' sagte ich, 'wo waren wir stehengeblieben?'

Regina antwortete nur noch kurz und knapp:' Du Blödmann, das weißt du ganz genau! Wir sehen uns Morgen in der Schule. Ich freue mich auf dich'. Und sie legte auf.“

 

Cool“, Timmy lag mittlerweile auf der Seite und hatte sich auf den Unterarm gestützt. „ Und seit ihr dann ein Paar geworden“, wollte Timmy wissen.

 

Ja und nein“, antwortete der Vater etwas nachdenklich. „Mir hatte Reginas ehrliches Geständnis so ein bisschen die Luft genommen. Es war noch zu früh für mich, musste ich mir eingestehen und mir war, als könnte sie in mir lesen. Sie half mir, wenn ich ihre Nähe suchte, lächelte mir zu, wenn sie mich dabei erwischte, dass ich sie anträumte, und sie nahm manchmal meine Hand, wenn wir alleine waren und uns unterhielten. Mehr aber nicht.-Vincent dagegen wurde irgendwann einer meiner besten Freunde und wir saßen zusammen in der letzten Bank.“

 

Und das war jetzt die Antwort auf meine Frage?“, wollte Timmy wissen.

 

Naja“, sagte der Vater,“ wenn es um Fragen über Mädchen geht musst du dich daran gewöhnen bei den Antworten um die Ecke zu denken.“

 

Timmy dachte noch tagelang über die Geschichte seines Vaters nach, bis er irgendwann verstand.

 

 

 

 

 

 


Zocken

Es war einmal ein Junge der hieß Timmy. Er liebte, wie die meisten Kinder seines Alters, das sogenannte „Zocken“. Das was sein Vater noch unter dem Begriff „Computerspiele“ kannte, waren aber heute Spiel- Apps, mit denen man sich herrlich und kurzweilig beschäftigen konnte. Am liebsten den ganzen Tag lang. Aber das erlaubten viele Eltern nicht. Sie hatten Bedenken, führten oft das Wort „Spielsucht“ im Mund, auch wenn sie sich überhaupt nicht damit auskannten, was an einem Spiel so faszinierte.

Für Timmy war es zu einer nervigen Notwendigkeit geworden, sich über Spielzeiten mit seinen Eltern auseinanderzusetzen. Selber dagegen verbrachten die ein vielfaches der Zeit vor der Glotze. Das erschien Timmy als wirklich stupide. Aber er kritisierte sie dafür nicht. Timmy hielt sich für äußerst tolerant.

 

Mit seinem Vater spielte Timmy manchmal Fifa. Fußball ging mit dem. Er besorgte auch immer die neueste Version. Mehr Spiele aber kamen nicht ins Haus.

Das musste sich unbedingt ändern, dachte Timmy. So begann er seinen Überzeugungsfeldzug.

 

Papa, können wir uns nicht mal ein anderes Spiel für die Playstation besorgen?“

Ich denke du spielst schon auf dem Handy und auf deinem I-Pad genug, da müssen wir nicht noch mehr Spiele anschaffen“

Aber, das ist doch etwas ganz anderes. Minecraft ist auf einem großen Bildschirm viel besser.“

Der Vater schüttelte nur den Kopf. „ Wenn man bedenkt, wie viel Zeit du jetzt schon damit verbringst, dann weiß ich nicht was das soll. Immer soll etwas Neues her, immer höher, schneller, weiter. Was könnte man in deinem Alter alles mit der Zeit machen?“

„ Ja, was denn?“, fragte Timmy.

„ Keine Ahnung, alles mögliche. Wir hatten in eurem Alter nicht diese Möglichkeiten. Wir haben gekickert im Jugendtreff, oder Drachen gebastelt, geangelt oder Kröten aufgepustet..“

Bitte was?“, Timmy meinte sich verhört zu haben.

Ach streich das Letzte. Auf jeden Fall haben wir irgendwie die meiste Zeit draußen verbracht, sind auf Bäume geklettert und so und wenn die Laternen angingen, mussten wir wieder nach Hause. Und dann gab es allerhöchstens eine Folge Schweinchen Dick im Fernsehen, obwohl mein Vater das als gewaltverherrlichend verurteilte.“

Warst du eigentlich in der Hitlerjugend?“, Timmy wusste dass er mit dieser Frage seinem Vater jeden Wind aus den Segeln nehmen konnte.

Neiiin, das war ich nicht! So alt bin ich nicht!“

Sag mal Papa“, setzte Timmy nach diesem kleinen Etappensieg von anderer Seite an, „ glaubst du eigentlich, wenn Mozart kein Klavier gehabt hätte, gäbe es die schöne Musik von ihm heute nicht?“

Der Vater überlegte. „Hmmm, sagen wir mal so, ohne Instrumente wäre es schwer geworden. Aber die Musik und damit Instrumente waren dem kleinen Mozart ja schon durch seinen Vater in die Wiege gelegt worden.Insofern ist so eine Frage hinfällig.“

Du sollst es dir nur mal vorstellen“, bat Timmy.

Also gut, nein ohne Instrumente gäbe es auch keine Musik von Mozart.“

Gut, das halten wir mal fest“, sagte Timmy. „Meinst du die Mutter von dem kleinen Amadeus hat manchmal zu ihm gesagt: 'Du Amadeus, für heute ist aber genug mit dem Piano gespielt. Kletter mal lieber auf Bäume, damit du nicht spielsüchtig wirst?'

Ach daher weht der Wind!“, der Vater hob den Zeigefinger. „ Meinst du nicht dass das etwas völlig anderes ist?“

Glaube ich nicht, Papa. Denk nur mal nach. Wir haben festgestellt, ohne Instrument keine Musik für die Nachwelt, und ohne intensive Beschäftigung mit dem Instrument, keine ausreichende Übung.“ Timmy machte eine bewusste Pause. „ Und jetzt übersetze mal Instrument mit Playstation!“

Das ist doch Unfug“, schnaubte sein Vater, „ du willst mir doch nicht weismachen, dass eine Playstation mit Mozarts Klavier zu vergleichen ist.“

„ Doch“, sagte Timmy. „ Vielleicht ist es dir nicht bewusst, aber die meiste Musik wird heute am Rechner komponiert. Und das ist nicht Alles: Architekten entwickeln moderne Bauten am Monitor, Filme werden geschnitten, Drohnen erschießen Terroristen, Piloten fliegen ihre Kisten am Joystick usw.!“

Und was willst du mir damit sagen?“, fragte der Vater etwas überfordert von dem Zickzack der Argumente.

Ich will dir klar machen, dass du deinem Sohn verwehrst, an seinem Instrument zu üben, und zwar das was er möchte! Obwohl du gar nicht weißt, für was das eines Tages mal gut sein wird.“

Der Vater kratzte sich am Kopf. Timmy wertete das als echten Wirkungstreffer. Er wusste, jetzt musste er nachsetzen.

„ Ich habe dir meinem lieben Papa, etwas vom Flohmarkt mitgebracht , damit du mal deine Position überdenken kannst“, Timmy zog sein Ass aus dem Ärmel. „ Die neueste Version „Minecraft“

Der Vater zeigte bis auf die herabgezogenen Mundwinkel kaum Gegenwehr.

„ Jetzt sei ein moderner Vater und spring über deinen Schatten und wir sehen uns mal gemeinsam an, was das überhaupt ist.“ Timmy hatte, als er das sagte, schon die Playstation gestartet und die CD eingeführt.